(113) Das Auge des Drachen
Inhalt:
Justus, Peter und Bob gönnen sich einen freien Tag im Wald. Sie dösen in der Sonne und genießen die Ruhe, als sie plötzlich den Schrei eines Kindes hören. Sie finden die sechsjährige Emily Silverstone, die behauptet, von einem Drachen angegriffen worden zu sein. Tatsächlich befinden sich an ihrem Arm einige Kratzer. Noch verwirrender wird die Aussage, als sie erklärt, sie habe gerade Blumen für die Elfenkönigin gepflückt. Die Jungs bringen das Mädchen zum nächstgelegenen Haus, das zufällig Emilys Augenarzt Dr. Wakefield gehört, der sie mit Pflastern versorgt. Anschließend begleiten sie das Mädchen, das schon wieder ganz munter ist, nach Hause.
Von Emilys Mutter erfahren sie, dass das Mädchen eine lebhafte Phantasie hat. Emily spricht ständig von Kobolden, Elfen und Einhörnern, die angeblich nur sie sehen kann. Mrs. Silverstone macht sich schon länger Sorgen deswegen, denn sie fürchtet, dass Emily später in der Schule von Mitschülern ausgelacht wird. Doch auch ärztliche Untersuchungen haben nichts Ungewöhnliches bei Emily gezeigt. An die Existenz eines Drachen glaubt natürlich keiner, doch irgendetwas muss das Mächen ja wirklich angegriffen haben - und die drei Detektive wollen das Geheimnis lüften. Im Wald entdecken sie am Angriffsort erst eine bunte Feder und dann einen seltsamen Vogel und verfolgen ihn, doch das Tier entkommt. Der Vogel fliegt zu einem Mann, der im Auto davonfährt.
In einer nahgelegenen Hütte treffen die drei auf eine alte Frau, Alruna, die von sich sagt, sie habe das Zweite Gesicht. Alruna kennt Emily gut, denn das Mädchen spielt oft im Wald in ihrer Nähe. Weil auch Emily außergewöhnlich ist, haben sich die beiden angefreundet und Emily gab ihr den Spitznamen "Elfenkönigin". Alruna spürt aber auch, dass der Mann mit dem Vogel großes Unheil bringt. Und tatsächlich erreicht die drei Detektive bald ein Anruf von Mrs. Silverstone: Emily ist offenbar entführt worden ...
Bewertung:
Wenn die drei Fragezeichen mal ausspannen wollen, kann man schon sicher gehen, dass genau das Gegenteil passiert und sie sofort wieder in einen mysteriösen Fall hineinstolpern. Genauso geschieht es in diesem spannenden und äußest unterhaltsamen Hörspiel, das zu den besten der neueren Folgen gehört.
Sympathische Charaktere
Einen großen Pluspunkt erhält das Hörspiel schonmal dadurch, dass es mit sympathischen Nebenfiguren bevölkert ist. Die kleine Emily ist ein äußerst liebenswertes Mädchen, das man als Hörer genauso rasch ins Herz schließt wie die drei Detektive. Nach ihrem Schrecken durch den Angriff des "Drachen" erholt sie sich schnell und begegnet den drei Jungs ganz offen und vertrauensvoll, aber auch selbstbewusst. Sie widerspricht oft und fällt ihrem Gegenüber ins Wort, aber ohne dabei nervig zu wirken. Hinreißend sind ihre wie selbstverständlich erzählten Schilderungen der Fabelwesen im Wald, die sie scheinbar als ihre Freunde betrachtet. Bei den drei Detektiven wählt sie schnell Peter als ihr "Lieblingsfragezeichen", wie Bob es neckend bezeichnet, aus. Sie zeigt ihm nicht nur stolz ihr Zimmer, sondern schenkt ihm auch ein Bild - auf dem Peter leider mal wieder nichts erkennen kann. Auch Mrs. Silverstone ist eine sympathische Auftraggeberin. Sie ist besorgt um ihre Tochter und vertraut den drei Jungen recht schnell, dass sie ihr helfen werden. Auf der anderen Seite ist sie nicht hysterisch, sondern sucht einfach nach einer vernünftigen Erklärung für das Verhalten ihrer Tochter. Die alte Alruna erscheint zunächst etwas merkwürdig, da sie die drei Fragezeichen direkt mit ihrer Vorahnung begrüßt, dass sich hinter "Justus" der "Gerechte" verbirgt, von dem sie glaubt, dass er das Unheil beseitigen wird. Diese Frau bringt damit sogar den sonst so schlagfertigen Anführer der Detektive ins Stottern. Bald ist aber offensichtlich, dass diese Frau trotz ihrer scheinbaren Begabung ihnen sehr wohlgesonnen ist und vor allem Emily ihr am Herzen liegt.
Die Handlung überzeugt durch Spannung, immerhin geht es hier unter anderem um eines Kindesentführung. Das Motiv ist dabei zunächst völlig unklar. Um Geld wird es kaum gehen und noch seltsamer wird es, als Emily wieder auftaucht und man aus ihren Berichten kaum klüger wird. Und es dauert nicht lange, bis sich die Lage wieder gefährlich zuspitzt. Erfreulich an der Auflösung ist, dass Justus durch Kombinationsgabe dahinter steigt und nicht, wie sonst manchmal geschehen, der Zufall bemüht wird. Die drei Fragezeichen müssen sich ihre Erkenntnisse erarbeiten und bekommen sie nicht auf dem Silbertablett serviert. Dazu kommt, dass Justus sich sogar ein wenig irrt und nicht auf Anhieb alle Machenschaften durchschaut - was ein wenig ausgleicht, dass er seine Recherchen im Hintergrund erledigt und nicht nur den Hörer, sondern auch seine Kollegen mit der Lösung vor vollendete Tatsachen stellt.
Hervorzuheben ist außerdem die Musikuntermalung. Während die Hintergrundgeräusche durch das laute Vögelzwitschern und später durch das häufige Kreischen des "Drachen"-Vogels recht penetrant geraten sind, sind die verbindenen Musikzwischenstücke sehr gelungen. Ein, zwei Mal hört man eine langsame, melancholische Melodie, ein anderes Mal, als die wäldliche Idylle beschrieben wird, ein märchenhaftes Stück.
Viel Humor
Bei den Dialogen gibt es diesmal einiges zu amüsieren. Dafür ist vor allem Emily mit ihrer kindlichen Phantasie verantwortlich. Gleich beim ersten Auftauchen ihrer drei Retter im Wald fragte sie: "Seid ihr Trolle?" was die drei Fragezeichen mit einem verwirrten Lachen und Bob gar mit einem frechen "Justus vielleicht" kommentieren. Sehr süß wird dargestellt, wie sie ihre neuen Freunde ausfragt, ob sie schonmal Fabelwesen gesehen haben, etwa Einhörner oder Drachen. Peter, Bob und Justus sind ganz schön verunsichert durch die direkten Fragen und müssen etwas unangenehm berührt verneinen. Bei sich im Zimmer präsentiert Emily ihrem Lieblingsfragezeichen Peter ein Bild, auf dem der zweite Detektiv nur gelbe Farbe erkennt, doch angeblich soll dort ein Einhorn abgebildet sein. Um dem Mädchen einen Gefallen zu tun, behauptet er, er sähe ein "Super-Einhorn", muss aber auf Emilys vorwurfsvolles Drängen zugeben, dass er es in Wirklichkeit doch nicht so ganz genau erkennt ... Peters Verfolgung des seltsamen Vogels im Wald sorgt gleich doppelt für Erheiterung: Erstens durch Justus' energische Aufforderung, das Tier nicht entkommen zu lassen, was etwas lächerlich wirkt angesichts eines Vogels, der jederzeit wegfliegen kann und zweitens durch Peters sarkastische Antwort, dass er sich bemüht, aber nicht fliegen kann. Niedlich wiederum Emilys Entgegnung, als sie ihren Entführer beschreiben soll, der ihrer Meinung nach "wie ein Mann" aussah - was Justus leider nicht viel weiterbringt. ;-)
Kaum Schwächen
Wirkliche Schwächen gibt es nicht zu vermelden, keine Logikschnitzer, keine übertriebenen Zufälle. Fragwürdig ist allerdings die Stelle, nachdem Emily wieder auftaucht und kaum Angaben zu ihrem Entführer machen kann. Dass sie ihn äußerlich kaum beschreiben kann, mag noch angehen, aber sie ist alleine zurück nach Hause gelaufen, sagt jedoch, dass sie sich an den Weg überhaupt nicht erinnern kann. Das ist sehr seltsam, zumindest eine ungefähre Richtung müsste sie doch angeben können. Etwas zweifelhaft ist da auch die Reaktion ihrer Mutter. Zunächst sagt sie den drei Fragezeichen nichts am Telefon von Emilys Wiederkehr, sondern nur, dass sie sofort herkommen müssen - naheliegender wäre aber, dass sie mit der Neuigkeit herauplatzt. Auch dass sie lieber die drei jugendlichen Detektive einschaltet als zur Polizei zu gehen, verwundert, auch wenn sie Gründe dafür angibt. Immerhin hat sie eine Weile um Emilys Leben gebangt, da wäre es konsequenter, den Täter mit allen Mitteln fangen zu wollen.
Für die Freunde der unheimlichen Fälle der drei Fragezeichen ist sicherlich schade, dass es hier nichts zu gruseln gibt. Auch wenn sich die mysteriösen Vorfälle ja stets rational erklären lassen, gibt es in anderen Folgen ja schon einige Stellen, bei denen vor allem Peter ins Zittern gerät. Hier aber wird schnell klar, dass es sich beim Drachen um ein normales Tier handelt. Leider suggerieren der Titel und das Cover, das ein gelbes Echsenauge zeigt, etwas anderes, nämlich eine fantasylastige Story mit einem womöglich gefährlichen Wesen. Wenn man kleinlich sein will, irritieren auch zwei Ausrufe von Bob, der gleich zweimal "Seit wann denn das?" fragt - einmal, als Justus sagt, dass Peter den besten Orientierungssinn besitzt und noch einmal, als er sagt, dass Peter der Schnellste des Trios ist. Das kann man eigentlich nur ironisch deuten, denn dass Peter die Sportskanone ist, kommt in fast jeder Folge zum Tragen und auch sein Orientierungssinn wird nicht zum ersten Mal gelobt.
Überzeugende Sprecher
Bei den Sprechern der drei Fragezeichen, Oliver Rohrbeck, Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich gibt es wie stets nichts zu bemängeln. Darüberhinaus überzeugen auch die Nebenfiguren. Madeleine Weingart ist eine Kindersprecherin, die sehr authentisch erscheint und der kleinen Emily ein liebevolles Wesen verleiht. Ihre Hörspiel-Mutter alias Katrin Wasow tauchte bereits in der Folge "Das Wolfsgesicht" einmal auf. Ein alter Hase ist Gisela Trowe mit ihrer markant-heiseren Stimme als alte Alruna. Sie spielte bereits in der lange zurückliegenden 16. Folge mit dem "Zauberspiegel" mit, ebenso bei der "Silbermine" und im "Labyrinth der Götter".
Fazit:
Eine insgesamt sehr überzeugende Folge mit gut aufgelegten Sprechern, schöner Musikuntermalung und viel Humor. Bei der Aufklärung des Falls gibt es keine Logiklücken und die Handlung ist weitestgehend spannend bis zur überraschenden und gut ausgetüftelten Lösung. Dafür allerdings fehlen diesmal die unheimlichen Elemente, die durch Titel und Cover fälschlicherweise suggeriert werden.
Sprechernamen:
Justus Jonas: O. Rohrbeck
Peter Shaw: J. Wawrczeck
Bob Andrews: B. Andrews
Emily: M. Weingart
Mrs. Silverstone: K. Wasow
Dr. Wakefield: H. Daniel
Alruna: G. Trowe
Erzähler: T. Fritsch
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